Eigentlich war der amtierende Snooker-Weltmeister Ronnie O’Sullivan gar nicht für die Finalrunde der Berlin Masters qualifiziert, da er völlig überraschend in der 1. Runde, die im Dezember im englischen Barnsley gespielt wurde, am Thailänder Thepchaiya Un-Nooh mit 4:5 gescheitert war. Dennoch war er in Berlin allgegenwärtig. Zu diversen PR-Terminen, darunter zwei Autogrammstunden, wurde der Superstar von der Insel extra eingeflogen. Der Rummel um ihn war unvorstellbar. An ein Interview mit dem scheuen 38-jährigen war eigentlich nicht zu denken. Dank des Veranstalters Thomas Cesal kam es in der Bar des neueröffneten Luxushotels Wyndham überraschenderweise dennoch zustande, kurz vor Ronnies Rückflug.
Ronnie, Du wurdest im Mai 2013 erneut Weltmeister. Das war ein großer Erfolg! Wie hast Du gefeiert? Mit einer großen Party für alle Deine Freunde oder eher mit der Familie?
O’Sullivan: Nein, keine Party. Ich war froh, dass es vorbei war und dass ich gewonnen hatte. Ich habe entspannt und bin dann zur Normalität übergegangen. Shopping, Kochen, Laufen …
In fast allen Turnieren müssen alle Spieler jetzt in Runde eins starten. Wie war es für Dich beim German Masters und der International Championship? Wie am Anfang Deiner Karriere?
O’Sullivan: Mir macht es nichts aus, in Runde eins zu starten. Aber zuerst eine Quali zu haben und dann kommt erst das Hauptturnier…, das bedeutet doppelten Reiseaufwand. Das ist zu viel. Ich finde die Idee prinzipiell gut. Doch dann sollte man auch eine Venue haben, wo alle 128 Spieler starten können und das Turnier von Anfang bis Ende stattfinden kann. Zuerst in Doncaster oder Barnsley zu spielen, um dann hierher kommen zu können, das ist Zeitverschwendung.
Denkst Du, es wird jetzt oder in den nächsten Jahren einen Spieler geben, der Snooker ähnlich wie Stephen Hendry oder Steve Davis dominieren kann? Vielleicht Du selbst? Du scheinst im Moment in sehr guter Form zu sein.
O’Sullivan: Nein, das denke ich nicht. Jeder ist auf ziemlich gleichem Niveau. Es gibt einige Spieler, die die Titel unter sich aufteilen werden. Ich denke, ich werde nur die großen Turniere spielen.
Gefällt Dir der neue Dresscode bei den PTCs?
O’Sullivan: Ja, ich denke, es ist gut. Man muss viele Matches an einem Tag spielen und dann 12 bis 14 Stunden im Anzug, das ist schon hart. Es ist schön, zwischen den Matches zu entspannen. Ohne, dass man sich extra umziehen muss. Für die PTCs ist es schon angenehmer, in den Shirts zu spielen.
Schreibst Du selbst auf Twitter oder hast Du einen „Ghostwriter“?
O’Sullivan: Teil, teils. Ein Freund von mir stellt die Termine ein, so dass die Fans wissen, wann ich wo spiele, auch Exhibitions und ähnliches. Das sind wichtige Informationen. (Pause) Und man merkt es, wann ich twittere und wann nicht.
Bist Du aktuell mit Deinem privaten Leben zufrieden?
O’Sullivan: Ja. Ich habe Spaß, es geht mir gut. Und ich genieße meine Karriere, jetzt mehr als in jüngeren Jahren.
Du bist seit etwa einem Jahr verlobt. Steht schon ein Hochzeitstermin fest?
O’Sullivan: Ich weiß nicht. Wir haben noch nichts geplant. Wir sind glücklich miteinander. Ich hoffe, dass es noch irgendwann kommt, aber im Moment sind wir verlobt und haben eine gute Zeit miteinander. Wir werden es merken, wenn wir soweit sind.
Du läufst gern. Wirst Du in der Zukunft an mehr Rennen teilnehmen? Oder nach Deiner Snooker-Karriere z.B. an den Senioren-Leichtathletik-Weltmeisterschaften?
O’Sullivan: Vielleicht. Es ist eine große Leidenschaft von mir. Wenn ich nicht laufen kann, bin ich unglücklich. Es ist etwas anderes als der Job. Das Laufen genieße ich und es bringt mir Abwechslung.
Bist Du ein Perfektionist in allem, was Du tust? Oder kannst Du damit leben, in manchen Bereichen Deines Lebens nicht so perfekt zu sein?
O’Sullivan: Es geht darum, einen hohen Standard zu erreichen. Und wenn ich nicht den höchsten Standard erreiche, versuche ich, so nah wie möglich heranzukommen. Perfektion gibt es nicht. Ich möchte einen hohen Standard möglichst konstant halten. Manchmal spiele ich so, dass es nahe an der Perfektion ist. Aber es ist unmöglich, das immer zu erreichen. Man muss stark sein und weiter Druck auf den Gegner ausüben. Alle Menschen machen Fehler. Wenn er ein bestimmtes Niveau spielt, muss man den Druck auf ihn aufrechterhalten. Dann macht er Fehler und die kann ich dann ausnutzen und sage: „Danke schön!“
Wieso sind nach Deiner Meinung weibliche Snookerspieler nicht so gut wie die männlichen?
O’Sullivan: Ich weiß es nicht. Ich denke, es ist die Tradition. Es spielen mehr Männer als Frauen. Wenn die Frauen mehr gegen Männer spielen würden, würden sie sicher auch besser werden. Frauen können diesen Sport betreiben, doch noch ist es mehr ein Männersport. Wenn mehr Frauen spielen würden, würde es sicher irgendwann auch weibliche Profis geben.
Was hältst Du von solchen neuen Queue-Entwicklungen wie Acuerate und SightRight?
O’Sullivan: Ich denke, es ist mehr wie ein Placebo. Es ist wie diese Tabletten, wo nichts drin ist, aber man denkt, wenn man diese Tablette nimmt, fühlt man sich fantastisch. Es ist nichts drin, aber ich sage Dir, es kann Dich stark machen. Es ist wie ein Gimmick, der den Spielern für eine Weile hilft. Aber dann sind sie so schlecht wie vorher und suchen das Nächste. Vielleicht Gott… oder die Bäume… Sie brauchen es, um in die Zone zu kommen, um gutes Snooker zu spielen. Ich schaffe das auch so, ich brauche diese Hilfsmittel nicht.
Welches Queue spielst Du und welches Tip?
O’Sullivan: Das Queue ist ein John Parris. Schon immer, sie machen gute Queues. Und das Tip ist Elkmaster. Dabei bleibe ich. Ich werde nichts anderes probieren.
Wirst Du auch noch einmal Poolbillard spielen und an Turnieren teilnehmen?
O’Sullivan: Vielleicht eines Tages. Im Moment ist es zu schwierig, beides zu betreiben. Aber wenn ich eines Tages keine Lust auf Snooker mehr habe, könnte es sein, dass ich Pool spiele.
Hast Du auch schon andere Billardvarianten ausprobiert, z.B. Dreiband?
O’Sullivan: Ich habe es versucht, aber es ist schwierig. Sehr schwierig, sehr kompliziert. Ich bewundere die Spieler. Wow. Es ist unglaublich, was sie können. Sehr beeindruckend.
Kannst Du Dir vorstellen, nach Deiner Profikarriere als Trainer zu arbeiten?
O’Sullivan: Ich weiß wirklich nicht. Vielleicht eines Tages. Wenn ich dann keine Turniere mehr spiele und jemand meinen Rat möchte und mich fragt, dann würde ich gern helfen.
Ronnie, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast!
O’Sullivan: Sehr gerne. Bis zum nächsten Mal.
Das Interview führte für die Touch Imke Köhler. Fotos: Helga Ackermann
