Ken Doherty: „Das Publikum in Deutschland ist toll, sehr enthusiastisch.“

Ken Doherty ist eine der Legenden des Snookersports. Der Weltmeister von 1997 ist zwar längst nicht mehr in der Form von damals und benötigte vor zwei Jahren eine Wildcard, um überhaupt weiter im Zirkus der Großen auf der Main Tour mitspielen zu können. Doch scheinbar war dies auch eine Art Initialzündung für den Iren, denn in den letzten 24 Monaten gelang es dem mittlerweile 50-jährigen, sich wieder unter den TOP 64 zu etablieren. Mittlerweile ist er auch als BBC-Experte tätig und betrachtet die Dinge also nun auch aus einer anderen Perspektive. In Fürth hatten wir während der Paul Hunter Classic die Gelegenheit zu einem sehr unterhaltsamen und informativen Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Ken, an Fürth und das PHC hast du sicherlich gute Erinnerungen.

Doherty: Allerdings, ich schaffte hier mal ein Maximum-Break. Das war in der Tat etwas ganz Besonderes, zumal ich noch nie eines gemacht hatte, und mich die letzte verschossene Schwarze beim Masters im Jahr 2000 stets auf Schritt und Tritt verfolgte. Als es dann in Fürth seinerzeit endlich geklappt hat, das war schon toll, auch wenn nicht besonders viele Leute zugeschaut haben und es nicht im Fernsehen war. Aber man kann nicht alles haben. Ansonsten komme ich grundsätzlich gern zum Paul Hunter Classic, auch wenn es die letzten Jahre leider nicht geklappt hat. Umso schöner ist es, wieder hier zu sein. Das Publikum war ganz toll heute – super Atmosphäre. Leider habe ich verloren, aber ich liebe es, hier zu spielen. Es ist fantastisch. Paul Hunter war ein toller Typ und einer der besten Spieler. Es ist so schade, dass er so früh verstorben ist.

Was denkst du über das neue Format des Turniers?

Doherty: Ich finde es gut. Früher waren es so viele Spieler, ich würde sagen, zu viele. Dadurch waren es lange Tage mit vielen Matches innerhalb kürzester Zeit. Jetzt sind es nur 16 Spieler und damit ist es wesentlich entspannter. Einige Spieler bringen ihre Familie mit und genießen die Zeit. Es ist weniger Druck. Ich denke, diese Art des Turniers hätte Paul bestimmt gemocht. Er hatte gern ein bisschen Spaß, etwas Entspannung, einen Drink. Diese Art Turnier hätte Paul besser gefallen als das andere vorher.

Spielst du gerne in Deutschland?

Ken: Absolut. Das Publikum ist toll, sehr enthusiastisch. Das Tempodrom in Berlin ist eine meiner Lieblings-Venues. Einfach großartig. Die Deutschen heißen uns immer herzlich willkommen und sorgen gut für uns. Auch bei den Exhibitions. Ich war einige Male in Vallendar. Ich war dort mit Steve Davis, Jimmy White und Stephen Hendry. Ich hoffe, ich kann nächstes Jahr wieder dort spielen, diesmal mit Mark Allen und vielleicht mit Dennis Taylor. Ich freue mich auf die Leute und besonders möchte ich Kai Letzelt danken, der das ganz toll organisiert. Das ist in einem Tennisclub und es sind 400, 500, 600 Leute dort. Großartige Atmosphäre, ein Riesenspaß.

Auch Michael Heeger in Rüsselsheim ist ein sehr guter Gastgeber. Ich spiele dort überall gern und genieße es, in Deutschland zu sein. Die Deutschen sind da wie die Iren. Sie haben gern ein bisschen Spaß, kommen gern zusammen und sie lieben Snooker. Sie kennen sich auch gut mit Snooker aus.

Du bist noch auf der Main Tour. Was inspiriert dich, weiterzumachen und viele Stunden am Trainingstisch zu stehen?

Doherty Ich trainiere nicht mehr so viel wie früher. Aber ich liebe das Spiel, ich liebe den Wettkampf und ich liebe es, vor Publikum zu spielen. Allerdings bin ich nun schon so lange dabei und bin etwas müde geworden. Aber ich glaube daran, dass ich noch ein gutes Turnier in mir habe, bevor ich mich zur Ruhe setze. Und das treibt mich an, für die letzten paar Jahre auf der Tour. Ich sollte allerdings etwas mehr trainieren. Nach diesem Turnier und dem 6 Reds werde ich damit anfangen. Ich werde noch einmal alles geben bis zum Ende der Saison. Und dann noch eine Saison und dann wird es wohl das Ende sein. Ich würde gern noch einmal die WM im Crucible spielen und dort „Auf Wiedersehen“ sagen. Das ist schon noch ein Ziel.

In Irland ist es sicher nicht so einfach, richtig gute Trainingspartner zu finden?

Doherty: Ich habe Fergal O’Brien, der ja auch auf der Main Tour ist. Und neu ist Shaun Murphy, der nach Dublin gezogen ist. Er ist natürlich einer der besten Spieler der Welt und wir werden viel miteinander trainieren. Zudem gibt es durchaus einige Topspieler aus Dublin. Zum Beispiel Robbie Murphy, der beste irische Amateur. Aber natürlich trainiere ich auch alleine.

Gibt es derzeit vielversprechende junge Spieler aus Irland?

Doherty: Aaron Hill und Ross Bulman. Beide versuchten, sich in diesem Jahr über die Q School für die Main Tour zu qualifizieren. Und Ross hat es nur um einen Frame verpasst. Er hatte so ein Pech. Ich hoffe, sie bekommen ein paar Einladungen zu Turnieren als Top-Ups und können ein paar Punkte und Preisgeld gewinnen. Und vielleicht auch genug, um ein Ticket für nächstes Jahr zu bekommen. Es wäre toll, wieder mehr irische Spieler auf der Tour zu haben. Ich hoffe, die beiden Jungs schaffen das.

Du hingegen bist ja schon sehr lange dabei.

Doherty: Ja, und ich liebe den Wettkampf nach wie vor. Das Problem ist jedoch das viele Reisen. Ich bin viel von zu Hause weg. Das ist gerade jetzt schwierig für mich, weil mein Sohn nun inzwischen 11 Jahre alt ist. Er kommt nun in ein schwieriges Alter, deshalb möchte ich gern so oft wie möglich bei meiner Familie sein. Wenn man älter wird, merkt man, was die wichtigen Dinge im Leben sind.

Ist deine Familie auch manchmal mit dabei, wenn du zu Turnieren oder Qualis fährst?

Doherty: Nein. Mein Sohn geht zur Schule und meine Frau arbeitet Vollzeit als Ärztin. Das ist ein anstrengender Job. Und mein Sohn betreibt seinen eigenen Sport, er spielt Tennis. Ich will ihn da nicht rausreißen. Er würde sich langweilen. Er war mal mit zur WM, aber grundsätzlich hat man bei Turnieren wenig Zeit für die Familie. Man spielt, hat andere Verpflichtungen, die BBC… Man steht ziemlich unter Druck. Hier beim PHC ist das in diesem Jahr anders. Man hat genug Zeit, kann entspannen, das ist toll. Und wie ich bereits gesagt habe, Paul würde es gefallen (hebt das Glas, prostet und trinkt einen Schluck).

Was interessiert dich abseits des Snookertisches?

Doherty: Ich interessiere mich allgemein für Sport. Ich liebe Fußball. Ich spiele auch selbst jeden Mittwoch. Ich mag Schwimmen und Tennis. Und ich spiele gern Golf. Mein Sohn spielt Tennis, da schaue ich auch gern zu. Ich sehe auch gern Tennis im Fernsehen. Ich bin ein Fan von Roger Federer. Und ich spiele ab und zu Poker. Aber ich verliere dabei nicht gern. (lacht)

Wie siehst du deine Zukunft nach der Profikarriere?

Doherty: Mir gefällt die Arbeit für die BBC als Experte. Das macht Spaß.

Und Trainer?

Doherty: Grundsätzlich denkbar. Aber nicht die technische Seite, sondern mehr die Weitergabe der Erfahrungen. Den jüngeren Spielern von meinen Erfahrungen berichten. Wie es bei der WM oder anderen besonderen Turnieren ist, wie ich gegen bestimmte Spieler gespielt habe. Ich denke, ich könnte da eine Menge weitergeben. Also wäre ich mehr ein Trainer, der mit den Spielern spricht.

Also mehr die mentale Seite?

Doherty: Genau. Das würde ich gern machen. Aber Co-Kommentator zu sein, das macht mir auch wirklich Spaß. Es ist entspannt, man hat keinen Druck. Nur ein bisschen, wenn man vor der TV-Kamera steht, statt in der Kommentatoren-Box zu sitzen.

Zurück in die Vergangenheit: Was ist die schönste Erinnerung deiner Zeit als Profi?

Doherty: Der beste Moment war natürlich der Gewinn der Weltmeisterschaft. Super war auch, als ich vor dem irischen Publikum in Goffs (legendäre irische Snookervenue) spielte. Ich spielte gegen Alex Higgins und die Atmosphäre war einfach elektrisch. Und ich habe ihn geschlagen (lacht). Auch gegen Ronnie O’Sullivan habe ich dort gespielt und im Finale verloren. Die Atmosphäre war ebenso spannungsgeladen. Dann natürlich das Spiel gegen Paul Hunter bei der WM 2003, welches ich mit 17:16 gewann. Das war mein größtes Comeback überhaupt. Und eines meiner besten Matches. Aber der Sieg gegen Stephen Hendry im Finale 1997, das war der beste Moment.

Und abseits des Tisches?

Doherty: Ich habe einmal Muhammad Ali getroffen. Und George Best (nordirische Fußball-Legende), gegen den ich auch eine Partie Snooker gespielt habe. Ich habe Alex Ferguson getroffen, Eric Cantona, Ryan Giggs, David Beckham, Roy Keane und natürlich Bono. Ich habe mit The Edge getrunken, genauer gesagt, wir haben uns betrunken. Wir waren besoffen und haben zusammen getanzt. (grinst) Ich habe auch Ron Wood und Keith Richards von den Rolling Stones getroffen. Ich war auf einem Konzert und wir haben auch ein gemeinsames Foto. Ich habe schon eine Menge Leute im Laufe der Jahre kennengelernt. Höhepunkte aber waren George Best und Alex Ferguson. Und vor allem natürlich Muhammad Ali. Ich durfte ihm die Hand schütteln. Das war bei „BBC Sports Personality of the year“, die Millennium-Ausgabe. Das war 1999. Er war einer der Kandidaten für den „Sportler des Jahrtausends“. Er war da. Es ging ihm nicht gut, er hatte Parkinson. Ich musste einfach hingehen und ihm die Hand schütteln. Er wusste natürlich nicht, wer ich war. Ich habe auch Mike Tyson getroffen, zweimal. Aber der ist nicht in der gleichen Liga wie Muhammad Ali. Eine ganz besondere Persönlichkeit.

Zurück zum Snooker: Ist die Gegenwart die beste Zeit, um ein junger Profi zu sein oder war es in der Vergangenheit einfacher?

Doherty: Eine sehr gute Frage. Als ich jung war, das war eine goldene Ära. Du hattest O’Sullivan, Higgins,… Okay, heute sind O’Sullivan, Higgins und Williams immer noch da. Aber vor zwanzig Jahren waren sie wirklich auf ihrem Höhepunkt. Die spielen immer noch großartig, aber nicht mehr ganz so wie damals. Die Leute haben ein kurzes Gedächtnis und erinnern sich nicht mehr so gut daran.

Die Zeit jetzt ist die beste für Snookerspieler, wenn man das Finanzielle betrachtet. Es gibt so viele Möglichkeiten zu spielen, so viele Turniere. Ich wünschte, ich hätte damals zu meiner besten Zeit vor zwanzig Jahren so viele Turniere gehabt. Die Gelegenheiten zu spielen, sind heute so zahlreich. Das Preisgeld hat sich verdreifacht im Vergleich zu früher. Jetzt ist wirklich eine goldene Zeit, um Snookerprofi zu werden. Mehr Turniere, mehr Preisgeld. Das Spielniveau ist auch noch sehr hoch. Es gibt etliche sehr gute Spieler. Als wir gespielt haben, waren es nur eine Handvoll gute Spieler. Doch heute findet man auch weiter unten in der Rangliste gute Spieler. Der Standard steigt ständig, das ist der große Unterschied zwischen heute und der Zeit von vor zwanzig Jahren.

Glaubst du, dass es zukünftig auch Damen zur Main Tour schaffen können?

Doherty: Ich hoffe es. Ich hatte vor ein paar Jahren gegen Reanne Evans in der WM-Qualifikation gespielt. Sie war ganz großartig. Ich hatte Glück, zu gewinnen, um ehrlich zu sein. Ich habe sie zwar mit 10:8 geschlagen, aber da hatte ich wirklich Glück. Ich habe schon einige Spielerinnen gesehen. Ng On Yee zum Beispiel, sie ist sehr gut.

Ich denke, Reanne hat viele Frauen dazu ermutigt, mit Snooker anzufangen. Hier in Deutschland, in England und auf der ganzen Welt. Der Standard beim Frauen-Snooker ist in den letzten fünf, sechs Jahren enorm angestiegen. Es gibt keine Hindernisse mehr, wesentlich mehr Turniere und sie bekommen Einladungen zu großen Events. Und das hilft dem Frauen-Snooker, das ist eine Inspiration.

Ich würde gern eine Frau auf der Tour sehen. Reanne war ja schon mal da, aber dann fiel sie wieder runter. Man braucht eben einen guten finanziellen Rückhalt. Aber sie ist eine junge Mutter. Und junge Mütter haben nicht so viel Zeit zum Trainieren. Sie kann es sich nicht leisten, nicht arbeiten zu gehen, um für ihre Tochter sorgen zu können. Ich denke, wenn sie einen richtigen Sponsor hätte und dadurch richtig trainieren könnte, könnte sie einige von uns schlagen. Und wenn sie es tun kann, können es andere Damen auch. Gib ihnen Hoffnung und Selbstbewusstsein. Ich sehe keinen Grund, warum sie es nicht schaffen sollten. Es ist kein physischer Sport, man braucht keine Kraft. Vielleicht schafft es auch die nächste Generation wie die jungen Thailänderinnen. Die sind wirklich sehr gut. Und sie spielen mit Leidenschaft. Und wenn sie den finanziellen Rückhalt haben und einen Sponsor, der sie unterstützt, und auch die Familie dahintersteht, dann warum nicht. Ich würde das sehr gern sehen.

Vielen Dank für das Interview und deine ausführlichen Antworten, Ken.

Doherty: Sehr gerne geschehen.