Ein frisch gebackener Champion
Unmittelbar vor dem German Masters 2023 hatte Chris Wakelin das Shoot Out gewonnen. Wir nutzten die Gelegenheit, uns mit dem frischgebackenen Champion in Berlin zu unterhalten. Chris Wakelin hatte eben mit 5:4 gegen Si Jiahui gewonnen.
Herzlichen Glückwunsch! Das war ein hart erkämpfter Sieg.
Chris: Danke schön! Ja, das war ein wirklich schweres Match. Ich hatte auch nicht erwartet, dass es einfach wird. Die Chinesen sind beim Lochen einfach sehr stark. Si spielte ein paar unglaubliche Bälle heute. Aber mir gelang es, ihn durch gutes Matchplay zu bezwingen. Ich habe mich gut gefühlt. Durch den Erfolg beim Shoot Out letzte Woche fühle ich jetzt auch einen ganz anderen Druck. Wenn man einen Pokal gewonnen hat, denkt man, man muss auch gleich ganz anders, besser spielen. Aber das war ja kein Fluke letzte Woche, sonst wäre ich nicht in den Last 16 dieses Turniers. Ich habe den Decider mit der ersten Chance gewonnen. Ich habe nicht viele Decider in den letzten Tagen verloren (lacht).
Wie fühlt es sich an, als einer, der zum ersten Mal ein Ranglistenturnier gewonnen hat, in solch ein Turnier zu gehen?
Ich weiß nicht, wie die Vorstellung von Rolf Kalb war. Ich freue mich über den Erfolg der letzten Woche. Für diese Woche bringt es natürlich extra Druck. Das ist meine zehnte Saison auf der Tour. Es war großartig, meinen ersten Titel zu gewinnen. Diese Woche beginnt alles von Neuem. Das ist das erste Mal, dass ich in Berlin bin, das erste Mal im Tempodrom. Sonst habe ich es nur im Fernsehen gesehen. Es war schon sehr speziell. Ich war dreimal im Crucible und natürlich letzte Woche in Leicester. Es ist eine ganz andere Erfahrung hier. Das hat so viel Atmosphäre … Es fühlt sich so an, als ob jeder Ball genau beobachtet wird und das Publikum jeden Ball mitfühlt. Sie freuen sich über jeden Ball, den Du lochst, und bedauern jeden, den Du verschießt.
War es Dein erstes Mal überhaupt in Berlin oder warst Du schon mal privat hier?
Ich war schon in Deutschland in Mühlheim und Fürth, und auch anderswo, aber in Berlin bin ich das erste Mal. Es ist schon speziell, hier beim German Masters zu spielen.
Bist Du mit Deiner Familie hier?
Mit meiner Freundin. Sie war auch letzte Woche mit in Leicester und bei meinem Erfolg dabei und da ist sie als Glückbringer mitgekommen. Sie hat allerdings Flugangst. Ich habe jetzt noch die Spuren ihrer Fingernägel hier an meiner Hand. Sie hat sich in den letzten Monaten sehr um mich gekümmert. Es ist eine neue Beziehung, aber sie ist immer für mich da.
Hattest Du denn noch Zeit für ein bisschen Training in den letzten Tagen?
Ach, das war ein sehr schneller Wechsel vom Gewinn meines ersten Titels zurück an den Trainingstisch, um mich auf das German Masters einzustellen. Das war nicht einfach, von so einem Höhepunkt, und das Shoot Out ist ja auch noch sehr schnell, zurückzukommen. Heute war ich teilweise zu schnell. Normalerweise spiele ich ja langsamer, was auch in der Natur des Spiels liegt, aber heute hatte ich am Anfang einige Stöße zu schnell gespielt, da hätte ich mehr Zeit investieren müssen. Da lag ich mit 1:3 hinten und musste es dann taktischer angehen, um noch zu gewinnen.
Wie berühmt bist Du jetzt in Deiner Heimatstadt?
Die Stadt, wo ich herkomme, ist recht klein. Da kannten die Leute mich auch schon vor meinem Erfolg. In den letzten Tagen habe ich ein paarmal öfter über Snooker gesprochen. Und ich wurde am Flughafen in Berlin erkannt, was auch nicht alltäglich ist. Aber das wird mich nicht verändern. Ich bin nicht reich oder besonders berühmt. Alles, was ich will, ist ein glückliches, langes Leben und ein guter Mensch sein.
Um etwas mehr über Dich zu erfahren: Wo lebst und trainierst Du?
Ich lebte 10 Jahre in Millington, aber jetzt bin ich zurück nach Rugby gezogen. Wo Rugby erfunden wurde. Ich trainiere jetzt in einem Club, die mich in den letzten Monaten sehr unterstützt und mir die Möglichkeit gegeben haben, mein Spiel weiterzuentwickeln. Ich fühle mich dort sehr willkommen. Ja, es ist meine Heimatstadt, ich habe die ersten über 20 Jahre meines Lebens dort verbracht, sie ist nicht so groß und ich fühle mich wohl dort.
Welche Hobbies hast Du?
Im Sommer spiele ich Golf. Außerdem habe ich vor 18 Monaten mit dem Tanzsport angefangen. Damals habe ich einige einschneidende Änderungen in meinem Leben vorgenommen. Mit dem Turniertanz unterstütze ich auch eine Wohltätigkeitsorganisation. Ich laufe auch viel, aber nicht wettkampfmäßig. Ich gehe auch gern aus und treffe meine Freunde.
Bist Du zufrieden mit der Saison bisher? Also bis zu dem Titelgewinn.
Die ersten sechs Monate waren ziemlich desaströs. Nicht, was mein Spiel angeht, aber die Ergebnisse waren sehr unbefriedigend, wenn man bedenkt, dass ich mich am Ende der Vorsaison noch für das Crucible qualifiziert hatte. Eigentlich hatte ich gedacht, es geht nun aufwärts. Aber wie das im Profisport heutezutage ist, der Standard ist so hoch. Man trifft auf ein paar gute Spieler in Topform und ehe ich mich umgucken konnte, hatte ich fünf oder sechs Niederlagen am Stück hinnehmen müssen. Ich freue mich, dass ich diesen Trend mit der Qualifikation für die Endrunde des German Masters und der Welsh Open gedreht habe. Der Sieg beim Shoot Out war ein Riesenbonus in Sachen Ranglistenpunkte. Mein Augenmerk richtet sich aber nicht auf die Niederlagen, sondern immer so weit wie möglich in den Turnieren zu kommen.
Denkst Du, Dein Umzug zurück nach Rugby war ein Wendepunkt zu besseren Ergebnissen?
Ja, definitiv. Meine Heimatstadt Rugby hat mir einen frischen Impuls gegeben. Ich bedauere es nicht, den Club in Neath verlassen zu haben, obwohl die Jahre dort nicht schlecht waren. Ich bin zurück bei meiner Familie. Das alles gibt mir einen neuen Fokus.
Vielen Dank!
Unsere Redakteurin Imke Köhler im Gespräch mit Chris Wakelin.