German Masters 2024:
Einen weiteren Titel in einer schon bisher brillanten Saison holte sich Judd Trump im Tempodrom. Mit 10:5 gewann er im Finale gegen Si Jiahui. Das Finale startete eher verhalten, aber es gab auch einige gute Breaks. Zum MSI stand es 2:2. Danach schien Judd Trump davonziehen zu können, doch dem jungen Chinesen gelang noch das 3:5. Die Abendsession startete mit Centuries von beiden Seiten. Schließlich setzte sich die Erfahrung und Klasse des Engländers durch und er feierte seinen dritten German-Masters-Titel. Bereits mit seinem Viertelfinalsieg hatte er sich auch schon den Bonus für den Sieg in der Bet-Victor-Turnierserie in Höhe von 150.000 Pfund gesichert.
Im ganzen Turnierverlauf war Judd Trump nie in Gefahr geraten und setzte sich stets klar durch, ob gegen Matthew Stevens zum Auftakt, gegen Matt Selt, Thepchaiya Un-Nooh oder John Higgins, der allerdings so manchen Frame nur knapp verlor. Im Halbfinale traf er auf einen der Überraschungsspieler des Turniers Sam Craigie. Der hatte bis dahin eine starke Leistung gezeigt. Mit einer 142 hielt er (geteilt mit Jordan Brown) das höchste Break des Events, im Achtelfinale schlug er Xu Si mit 5:4 und im Viertelfinale brachte er den Titelverteidiger „The Captain“ Ali Carter mit 5:1 zum Absturz. Und hätte in diesem Match fast noch ein Maximum geschafft, bis er beim letzten Split unglücklich zwei Rote auf einmal lochte. Im Halbfinale konnte er leider zu wenig gegen Judd Trump zeigen. Das One-Table-Setup im Tempodrom und der Einlauf in die volle Arena ist aber sicher auch etwas, an das man sich erst einmal gewöhnen muss.
Was sagte Sam Craigie nach seinem Match gegen Ali Carter zum Turnier und zum verpassten Maximum?
„Das war Dein bestes Resultat bisher bei einem German Masters.
Wird es nun zu Deinem Lieblingsturnier?“
Sam: Ja, vielleicht, wenn ich es gewinne. Ich habe diese Woche wirklich genossen.
„Hast Du hier Unterstützung?“
Sam: Ja, von meinem Club ist jemand dabei und Chris Henry, mein Coach.
„Gefällt Dir Berlin? Hast Du Dir schon etwas angeschaut?“
Sam: Noch nicht, weil ich damit beschäftigt war, mich auf die Matches vorzubereiten. Aber im vergangenen Jahr habe ich mir einiges angesehen.
„Im letzten Frame hast Du ein Maximum verpasst.“
Sam: Ja …
„Hast Du es von Anfang an versucht?“
Sam: Nein. Ich war schon bei 48, als ich es gesehen habe. Aber ich habe mir gedacht, dass ich in erster Linie das Spiel gewinnen will. Schließlich habe ich es versucht und dann kam das mit den zwei Roten …
Überhaupt keine Probleme mit dem One-Table-Setup hatte ganz offensichtlich Si Jiahui. Als er zum Halbfinale die Arena betrat, hielt er zunächst einen Moment inne, bevor er die Stufen zum Tisch hinunterschritt. Die ersten beiden Frames gingen an seinen mit dieser Situation wesentlich vertrauteren Gegner Kyren Wilson. Ein Safetyaustausch in Frame 3 brachte dann aber offensichtlich die Wende. Si gewann fünf Frames in Folge zum 5:2. Ein umkämpfter Frame 8 verhalf Wilson noch zum 3:5, bevor Si Frame 9 gewann und damit den Finaleinzug. Klasse Leistung des 2002 geborenen, der sich in Berlin nach Abreise seiner chinesischen Mitspieler ganz allein durchschlagen musste. Er traute sich noch nicht einmal, Interviews auf Englisch zu geben. So musste der WST-Fotograf Tai Chengzhe als Dolmetscher einspringen, als Rolf Kalb das Interview nach dem Finale führte.
In diesem Jahr hatte man dem German Masters ein anderes Format spendiert. Es gab nur eine Qualifikationsrunde in Großbritannien statt wie bisher zwei. Und die Topspieler durften ihr Qualimatch in Berlin spielen. Damit gab es auch endlich die Tempodrom-Premiere für Lukas Kleckers. Er war nämlich gegen Judd Trump gelost worden. Natürlich ging es an den TV-Tisch. Leider zeigte er sich dann doch etwas beeindruckt davon und konnte nicht die Leistung zeigen, zu der er fähig ist. Mehr Spiele in Berlin: das hieß, dass das Turnier bereits am Montag begann und auf anfangs sieben Tischen ausgetragen wurde. Der Besuch war auch an den ersten Tagen relativ gut, auch wenn natürlich noch Luft nach oben war. Das Wochenende schließlich war zwar nicht ausverkauft, aber doch sehr gut frequentiert.
Nicht jeder der gemeldeten Topspieler fand auch den Weg nach Berlin. Abgesagt hatte erneut Ronnie O’Sullivan, der durch Barry Pinches ersetzt wurde. Mit seiner bekannten grün-gelben Weste verbreitete er unter den langgedienten deutschen Snookerfans etwas Fürth-Nostalgie. Zwar konnte er das Match gegen Julien Leclercq nicht gewinnen, aber gerade am Anfang hielt er gut gegen den belgischen Jungstar mit und startete mit einem Century ins Match.
Einiges an Aufmerksamkeit zog der Inder Ishpreet Singh Chadha auf sich. Er war der Gegner von Luca Brecel in dessen Qualimatch. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Landsmann Leclercq sah der Weltmeister immer noch nicht überzeugend aus und unterlag mit 2:5. Für den Tourneuling Chadha ging die Reise weiter: in der nächsten Runde schlug er Liu Hongyu mit 5:3. Erst gegen Fan Zhengyi schied er mit 3:5 aus. Mit seinem guten Spiel hatte der Inder in Berlin nicht nur ein paar wertvolle Pfund für die Rangliste, sondern auch einige Fanherzen erobert.
Stephen Maguire hat im Tempodrom ganz sicher einen weiteren Fan gewonnen. Er war nach der erneuten frühen Niederlage (3:5 gegen Joe O’Connor) so gefrustet, dass er sein Queue an einen Zuschauer verschenkte. Zhou Yuelong dagegen hätte sein Queue vermutlich zu gern als Waffe gegen einen Zuschauer eingesetzt. Im Spiel gegen Tian Pengfei war er in Frame 4 auf klarem Maximumkurs, als ein Zuschauer, der das ganz offensichtlich nicht mitbekommen hatte, in seiner Sichtlinie aufstand und die Treppe nach oben ging. Dadurch verschoss Zhou die letzte Rote. Der sonst so ausgeglichene Chinese war verständlicherweise außer sich und brauchte lange, die Fassung wiederzufinden. Immerhin brachte dies ihn nicht vom Matchsieg (5:0) ab. In seinem nächsten Match traf er auf John Higgins und der zeigte, dass „Chalk gate“ nicht sein muss. Der Chinese hatte zum Anfang des Matches seine Kreide vergessen. Der Schotte borgte ihm seine Ersatzkreide. So geht das.
Ein wahres Feuerwerk lieferten übrigens Ryan Day und Julien Leclercq in ihrem Aufeinandertreffen ab. Der Belgier legte mit 2:0 vor, dann kam der Waliser in Fahrt und gewann mit 5:2. Das ganze Match dauerte ca. anderthalb Stunden brutto.
Es gab auch noch besondere Gäste zu begrüßen. Zunächst einmal tauchte ein privates Maskottchen namens Jonny Potalot auf. Ein Schotte in einem Snookerspielerkostüm hatte sich auf nach Berlin gemacht und begrüßte vor dem Tempodrom die Zuschauer. Auch in Großbritannien reist er wohl zu Turnieren. Der zweite Gast war wesentlich spezieller. Rolf Kalb hatte ihn bei einer Pause vor der Hintertür kennengelernt: ein blinder Snookerfan hatte die Reise ins Tempodrom auf sich genommen, um auch einmal live beim Snooker dabei zu sein. Rolf hatte ihn zum Gespräch in die Arena gebeten und er erzählte seine Geschichte.
Die Aufwertung des German Masters war auf alle Fälle sehr gut gelungen, auch wenn dadurch das bisherige Highlight, der Viertelfinalabend am Freitag, geopfert