Interview
Jason Ferguson, Chairman der WPBSA, war am Rande des European Masters so freundlich, uns für ein paar Fragen zu den Turnieren unter dem Dach der WPBSA zur Verfügung zu stehen. Dabei gab er uns auch einen Einblick in seine Visionen zur weltweiten Förderung, damit die einzelnen Organisationen den Sport wirklich global repräsentieren.
Es ist großartig, dass es jetzt auch in Deutschland Events der WDBS-Tour und der Q Tour gibt. Wie kam es dazu?
Jason Ferguson: Das ist eine tolle Entwicklung. Wir bei der WPBSA haben sehr viele Veranstaltungen, die laufen, das ganze Jahr über. An jedem Tag des Jahres ist irgendwo auf der Welt irgendetwas. Es ist ja eine ganze Gruppe von Organisationen. Die World Snooker Tour ist unser großes kommerzielles Unternehmen. Und das hat natürlich Priorität. Sich um die Spieler zu kümmern, dass es weltweit stattfindet usw.. Aber um die Tour sicherzustellen, müssen wir auch alles andere entwickeln. Und das bedeutet Qualifikationsturniere für die Main Tour, Möglichkeiten, für besondere Leistungen ein Ticket zu bekommen, den Zugang zum Spiel durch Förderung von Clubs und Programme an Schulen zu erleichtern zum Beispiel. Wir haben also diese Organisation und darin die WDBS. Und das ist wirklich eine großartige Sache. Wir wollen Snooker zurück zu den Paralympics bringen. Snooker war nämlich einer der Gründersportarten der Paralympics. Viele Leute wissen das gar nicht. Es wurde damals abgesetzt, weil es keine Organisation dahinter gab und keine Förderung. Und das ist harte Arbeit. Man kann nicht einfach irgendwo ein Turnier veranstalten. Man muss die verschiedenen Kategorien (der Behinderung, Anm.d.Red.) berücksichtigen und für die Einteilung gibt es auch strikte Vorschriften. Außerdem muss der Veranstaltungsort natürlich barrierefrei sein. Das ist also ziemlich kompliziert.
Wir haben inzwischen ein sehr professionell arbeitendes Team zusammengestellt, das aber vorwiegend aus Ehrenamtlern besteht. Zuerst war es UK-basiert. Nun sind wir aber schon auf der Suche nach Spielern. Die Menschen sehen unsere Events online und kontaktieren uns. Und wir gehen auch weltweit auf sie zu und sagen: „Wenn Du ein Snookerspieler mit einer Behinderung bist und an Wettkämpfen teilnehmen möchtest, dann melde Dich.“ Und es gibt wirklich viele Spieler, die diese Möglichkeit gern wahrnehmen wollen, das wissen wir inzwischen. Und nun müssen wir auch liefern. Es ist schade, dass die bisher bestehenden Organisationen da nichts getan haben. Es ist natürlich nicht einfach und sehr speziell, solche Turniere auszurichten. Wir haben uns zunächst mit Fachleuten und den Organisatoren der Paralympics beraten. Die WDBS nach Deutschland zu bringen, ist ein großer Entwicklungsschritt für uns. Es ist ein großer Markt für Snooker, es gibt hier großartige Profiturniere und es gibt viele Fans. Und es muss Spieler mit Handicap in Deutschland geben, die gern Turniere spielen möchten, so wie überall auf der Welt. Und das ist der Grund, warum wir hier ein Event haben. Ich freue mich sehr darauf. Wir hoffen auf einen großen Erfolg. Wir haben hier eine sehr engagierte Turnierorganisation und Spieler, die dahinter stehen, und hoffen, dass es auch weltweit mehr Engagement gibt.
Wir sind auf diesem Weg, wieder an den Paralympics teilzunehmen.
Es gibt ja eine Menge Politik im Sport. Zum Beispiel im Pool mit den verschiedenen Verbänden … Das Hauptproblem ist, dass die Menschen die Politik als das Problem sehen. Das wahre Problem ist Teilnahme und Angebot. Unsere Einstellung ist das Machen von Angeboten, etwas Kreieren, also die schwierigen Sachen, aber wir wollen etwas tun. Eine der großen Ereignisse, der großen Entwicklungen in diesem Jahr ist die Teilnahme von Snooker an den World Disability Games im Dezember in Thailand. Daher kommt jetzt die internationale Entwicklung. Die World Disability Games sind die zweitgrößte Multisportveranstaltung für Sportler mit Handicap. Und wir als WPBSA-Dachverband sind mit Snooker nun vollwertiges Mitglied dort. Das ist eine wichtige Entwicklung, weil die World Disability Games Verbindungen in alle paralympischen Komitees weltweit haben. Und wenn dann wieder die Frage gestellt wird, ob Snooker in die Paralympics aufgenommen werden soll, wollen wir international aufgestellt sein und jetzt schon in den World Disability Games den Sport professionell zu präsentieren. Ich freue mich schon sehr darauf.
Und wie seid ihr in Kontakt mit dem Verein von Michael Heeger gekommen?
Zum Glück gibt es etliche Leute in Deutschland, die schon lange mit uns arbeiten, also zum Beispiel Jürgen Kesseler oder Michael Heeger. Denen vertrauen wir und dann kann man einfach mal anrufen und fragen, ob sie helfen können. Das Projekt wurde in Deutschland selbst organisiert und nicht von außen in Deutschland hinein. Es ist wirklich ein regionaler Bedarf. Alles, was man braucht, ist EIN Spieler. Der sagt: „So ein Turnier möchte ich gern in meinem Land.“ Und das ist der Anfang. Wir haben das Gleiche jetzt in China. Wenn wir jetzt zum Shanghai Masters fahren, werden wir auch Snooker für behinderte Spieler dort an den Start bringen gemeinsam mit den dort für Sport Verantwortlichen. Und das wird wieder ein neuer Markt in Hinblick auf die Paralympics. Das sind aufregende Aussichten. Leider haben wir überall Spieler mit Handicap, die Snooker spielen, aber keine Chance haben, an Turnieren teilzunehmen. Die haben nur ihren eigenen Club, der barrierefrei ist, aber kommen nie irgendwo anders hin. Und wir kümmern uns nun um diese Spieler. Wir wollen in Kontakt kommen. Und das ist der Punkt, an dem die Medien helfen können.
Wir hatten einen Spieler aus Indien, einen, der in unseren WDBS-Turnieren spielte. Dann ist er zurückgegangen nach Indien. Und er hat alle seine Freunde zum Spielen gebracht. Da gibt es jetzt eine ganze Community von Spielern mit Handicap. In Deutschland kann es ähnlich werden.
Ja, wir haben ja Hannes Hermsdorf, der schon bei dem belgischen Event teilgenommen hat. Hoffentlich wird es bald mehr Spieler geben.
Wir kämpfen für Inklusion im Snooker. Es war die Politik im Sport, auszuschließen. Aber unser Ausgangspunkt ist Inklusion. Wir möchten, dass alle teilnehmen können.
Es gibt in Deutschland 2023 auch dieses Q Tour Event.
Ja, die Q Tour wurde neu entwickelt. Zuerst gab es die Challenge Tour. Das Problem war, dass es immer zweitklassig war. Die Weiterentwicklung der Q Tour ist ein vorrangiges Projekt innerhalb der WPBSA. Zuerst gab es einen Tourplatz, dann zwei, jetzt vier. Das ist ein toller Fortschritt. Das bedeutet, dass wir internationaler werden können. Zuerst haben wir Q Tour UK/Europe. Und ich freue mich sehr, dass wir nun auch ein Event in Deutschland haben. Ich habe heute gehört, dass es eine Überschneidung von Terminen hier in Deutschland gibt. Ich glaube, mit der Liga oder so. Ich hoffe, wir können das lösen, denn wir möchten die Spieler nicht in Schwierigkeiten bringen. Es ist nicht gut für den Sport, wenn die Verantwortlichen auf ihren Dingen beharren und Spieler ausgeschlossen werden. Das ist nicht unsere Politik. Okay, wir haben bei Worldsnooker kommerzielle Verträge, das ist etwas anderes. Aber wenn man auf die Amateurebene geht, sollte jeder überall spielen dürfen. So sehe ich das.
Die Q Tour in Heilbronn ist eine großartige Entwicklung. Wir haben übrigens auch zwei Koffer mit Bällen mit, um sicherzustellen, dass dort die richtige Ausrüstung vorhanden ist. Wir werden die Tische neu beziehen und alles dafür tun, dass der höchste Standard gewährleistet ist. Und das Gute in diesem Jahr ist, dass die Top 17 der Q Tour UK/Europe alle die Chance haben, ein MT-Ticket zu gewinnen. Der Sieger der Tour bekommt eins automatisch. Die nächsten 16 Spieler der Rangliste spielen beim Q Tour Play-Off mit. Und da gibt es weitere drei Tourplätze. Wir werden weitere Q Tours auf der ganzen Welt haben, es gibt ein großes Wachstum. UK/Europe ist ein sehr großes Gebiet. Es sind über 50 Länder. Aber wir müssen auch außerhalb die Q Tour in die Regionen bringen. Wir arbeiten mit Nordamerika, mit Südamerika, mit Asien, mit Ozeanien, mit Indonesien … wir bemühen uns überall, diese kleinen Events zum Laufen zu bringen. Das ist die Basisarbeit, die dann letztendlich den Sport größer macht. Es wird acht weitere Qualifier vom „Rest der Welt“ geben, die mit diesen 16 aus Europa ein 24-köpfiges Play-Off spielen im nächsten Frühjahr (2024). Es wird drei Champions geben aus drei Events mit jeweils acht Spielern. Und die jeweiligen Sieger werden auf der Main Tour spielen, egal, woher sie kommen. Ich freue mich sehr darüber, ich liebe dieses Projekt.
Wenn die Q Tour in verschiedene Regionen geht, brauchen die Spieler auch nicht so weit zu reisen.
Genau. Von außen betrachtet, sagt jeder: Amerika ist eine Region. Aber das stimmt nicht, das sind mindestens zwei. Amerika ist riesig. Und es werden verschiedene Sprachen gesprochen. Englisch, Spanisch, Portugiesisch … Man hat also große Barrieren zwischen den Regionen. Nordamerika ist schon nicht weit entfernt von einer eigenen Q Tour. Wir denken, wir können das gleiche in Südamerika machen. Da werden wir dann zwei Champions haben. Dann auch in Ozeanien und auch Asien/Pazifik. Also das ganze Südostasien mit Thailand, Singapur, Hongkong bis Australien und Neuseeland. Regionale Events sind der Schlüssel zur Tour-Qualifikation. Für zu viele Jahre haben wir erwartet, dass jeder nach England reist. Das ist peinlich. Wir müssen wirklich global sein. Glücklicherweise sind wir das nun bei der World Snooker Tour. Nun öffnen wir die Q Schools und jeder weltweit kann teilnehmen. Ich bin ein großer Fan eines offenen Sports. Das Besondere an der Q Tour ist, dass wir an den Wochenenden die Endrunde der Top 64 haben. Aber der Freitag ist ein offener Tag. Da kann wirklich jeder aus der jeweiligen Region mitspielen, der sich verbessern und messen möchte. Es gibt also keine Einschränkungen. Die einzige ist, wenn ein Spieler aus triftigen Gründen suspendiert ist. Denn so etwas wie Matchfixing nehmen wir sehr ernst. Solche Spieler bleiben ausgeschlossen. Aber jeder sonst darf an dem Freitag mitspielen. Und es wird immer größer werden.
Wie sieht es aus mit einer Rückkehr der PTC-Serie oder etwas Ähnlichem?
Ja, wir vermissen die PTC-Serie alle, auch ich. Alles, worum es geht, sind Kalender und Termine. Im vergangenen Jahr (2022/2023) gab es Lücken im Kalender von World Snooker. Doch wir durften sie nicht schließen, weil wir vertraglich gebunden waren, dass in gewissen Zeiträumen Events in bestimmten Regionen stattfinden sollen. Da konnten wir nicht einfach hingehen und ein Turnier woanders einplanen. Jederzeit hätte ja unser ursprünglicher Vertragspartner seine Rechte geltend machen können. Deshalb mussten wir die Lücken im Kalender lassen. Ich vermisse die PTCs, weil sie auch sehr gut für meine Arbeit waren. Wir hatten sie ja auch in Asien. Sehr schöne Gelegenheiten für die Spieler, Turniere zu spielen. Wenn es die PTCs nicht gegeben hätte, hätten wir auch dieses Event hier (European Masters in Nürnberg) nicht. Und unser Wachstum in Europa wäre nicht so groß gewesen ohne diese Turniere. Für die Entwicklung einer Region sind sie großartig, denn nicht überall gibt es große Sponsoren. In den großen Städten wie Shanghai, Beijing oder London hast Du das Geld zur Verfügung und es kommen viele Zuschauer. Diese PTCs waren sehr gut für die Entwicklung. Und sie haben den Amateuren die Chance gegeben, mal reinzuschnuppern. Wo stehen wir jetzt: Unglücklicherweise füllt sich der Kalender vorwiegend mit großen Events. Deswegen ist es im Moment sehr schwer, solche kleinen Turniere reinzubringen. Aber sag niemals nie. Eines Tages werden Turniere überall auf der Welt sein und auch zwei gleichzeitig stattfinden. Wie im Tennis oder Golf. Und wir werden diesen Punkt auch erreichen. Eines Tages wird der Worldsnooker-Kalender vom ersten bis zum letzten Tag gefüllt sein. Und wir als WPBSA mit unseren ganzen Unterorganisationen für Damen, Behinderte, Jugend, Q Tour, English Billiards usw. haben zusätzlich noch 350 Turniertage im Jahr. Obendrauf! *lacht* Das ist chaotisch! Wir haben ein wirklich gutes Team, das das alles organisiert. Da habe ich wirklich Glück. Aus irgendeinem Grund habe ich gute Leute gefunden. *lächelt* (Das Lob hören in diesem Moment übrigens die Presseleute der WST mit. Anm d. Red.)
Zu den Ranglistenturnieren: wie stehen die Chancen auf ein Profiturnier in Belgien?
Belgien ist sehr interessant für Snooker. Snooker hat dort auch eine Tradition. Billardsport ist dort sehr populär und wir hatten immer viele Zuschauer. Aber ein großes Turnier durchzuführen, ist immer eine Herausforderung. Es wäre ein neuer Markt für ein großes Turnier. Wir hatten schon Turniere in Antwerpen mit vielen Zuschauern. Ich denke, es wird in der Zukunft ein großes Turnier in Belgien geben. Es gibt Interesse daran, aber es wird noch einige Zeit dauern. Und man kann ja auch nicht einfach ein Turnier woanders wegnehmen und es dorthin geben. Also muss man sehen, wo es in den Kalender passt. Es gibt noch viel zu tun.
Und wie finden Sie diese Venue (Nürnberg)?
Sie ist wirklich toll. Sie ist sauber, neu, modern … sehr gut für uns. Ich weiß, der Start in die Woche war nicht so gut, es gab einige Probleme. Es war recht kalt, es war feucht, weil das Wetter nicht so recht mitspielt, aber generell ist sie sehr gut. Und die Turniere sind immer gut besucht in Deutschland.
Es wäre auch toll gewesen, wenn Lukas Kleckers sein Quali-Match erst hier hätte spielen dürfen. Warum nicht? Es wäre nur ein Match mehr gewesen.
Ich stimme Dir zu, es wäre großartig gewesen. Ja, es gibt noch Dinge, an denen wir arbeiten müssen. Viel hängt vom Zeitplan ab. Wieviel Tage wir im TV haben, wie lange wir die Venue haben. Manchmal ist es sehr schwierig, ein oder zwei Matches mehr einzutakten. Aber ich gebe Dir recht, wir sollten uns Mühe geben, die Stars der Region vor Ort spielen zu lassen. Wir machen das schon in einigen Turnieren, aber wir müssen daran arbeiten.
Vielen Dank!